Vitamin-D-Mangel in Europa und Deutschland: Verbreitung, Ursachen und Perspektiven

Vitamin-D-Mangel in Europa und Deutschland: Verbreitung, Ursachen und Perspektiven

Vitamin D ist nicht nur für die Knochengesundheit und den Kalziumstoffwechsel bedeutend, sondern auch für Immunfunktionen, Muskelkraft und möglicherweise das Herz-Kreislauf-System. Dennoch zeigen aktuelle Erhebungen, dass große Teile der europäischen Bevölkerung – darunter auch in Deutschland – nicht optimal mit Vitamin D versorgt sind. In diesem Beitrag nehmen wir die Verbreitung des Vitamin-D-Mangels genauer unter die Lupe, gehen den Ursachen auf den Grund, beleuchten historische Entwicklungen und geben einen Ausblick auf Lösungen und zukünftige Ansätze.

 

1. Wie verbreitet ist Vitamin-D-Mangel in Europa und Deutschland?

1.1 Europäische Studienlage

Unterschiedliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass 30–60 % der europäischen Bevölkerung einen suboptimalen Vitamin-D-Spiegel aufweisen.1,2 Besonders in nördlicheren Breitengraden – wie in Skandinavien, Großbritannien oder auch Deutschland – ist das Risiko für eine Unterversorgung tendenziell höher. Das hängt unter anderem mit geringerer Sonnenintensität im Winter und kürzeren „Sonnensaisons“ zusammen.

1.2 Fokus auf Deutschland

Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass in Deutschland ein großer Teil der Bevölkerung keine optimale Vitamin-D-Versorgung aufweist.3 Insbesondere in den Wintermonaten liegt der Serumspiegel von 25-Hydroxyvitamin D (25-OH-D) bei vielen Personen unterhalb der von Fachgesellschaften empfohlenen Werte (häufig wird < 20 ng/ml bzw. < 50 nmol/l als Vitamin-D-Mangel definiert).

  • Kinder und Jugendliche: Laut der Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) sind auch junge Menschen betroffen, da sie sich vermehrt in Innenräumen aufhalten und weniger Tageslicht erhalten.

  • Ältere Menschen: Mit zunehmendem Alter sinkt die körpereigene Syntheseleistung, sodass Senior:innen häufig zu den Risikogruppen zählen.

 

2. Warum ist Vitamin-D-Mangel (wieder) ein Thema?

2.1 Lebensstilfaktoren

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich unser Lebensstil maßgeblich verändert. Weniger Aufenthalte im Freien, mehr Büroarbeit sowie Freizeitbeschäftigungen in geschlossenen Räumen führen dazu, dass die Haut weniger UVB-Strahlung abbekommt. Hinzu kommt, dass Sonnencreme zwar die Haut vor schädlicher UV-Strahlung schützt, gleichzeitig aber auch die Vitamin-D-Synthese blockiert.4

2.2 Geografische Lage und Klimabedingungen

Deutschland und viele andere Länder in Zentraleuropa liegen in Breiten, in denen die Sonnenstrahlung von Oktober bis März zu schwach ist, um ausreichende Mengen an Vitamin D zu produzieren. Hier kann selbst häufiger Aufenthalt im Freien nicht verhindern, dass die Speicher in der kalten Jahreshälfte absinken.

2.3 Hat sich das Ausmaß geändert?

Früher arbeiteten viele Menschen häufiger im Freien, was eine bessere natürliche Vitamin-D-Bildung begünstigte. Im Zuge der Industrialisierung und modernen Arbeitswelten verbringen wir jedoch immer mehr Zeit in Innenräumen. Studien weisen darauf hin, dass diese Entwicklung dazu führen könnte, dass Vitamin-D-Mangel heute häufiger oder zumindest stärker wahrgenommen wird als in früheren Generationen.1,5

 

3. War das schon immer so?

3.1 Historischer Blick

Mangelerscheinungen wie Rachitis (bei Kindern) oder Osteomalazie (bei Erwachsenen) sind historisch bekannt, traten jedoch häufig in Zeiten extremer Unterernährung und mangelnder Sonneneinstrahlung auf, z. B. in dicht besiedelten Großstädten des 19. Jahrhunderts. Mit der Anreicherung bestimmter Lebensmittel und dem Wissen um die Bedeutung des Sonnenlichts gingen diese Krankheiten teilweise zurück. Dennoch zeigt die moderne Forschung, dass eine leichte bis moderate Unterversorgung weit verbreitet ist – eine Problematik, die möglicherweise in der Vergangenheit weniger genau erfasst wurde.

3.2 Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte

Mit dem Aufkommen moderner Analysemethoden (Serumspiegel-Bestimmung von 25-OH-D) und groß angelegter Bevölkerungsstudien rückte der latente Vitamin-D-Mangel in den letzten Jahrzehnten verstärkt in den Fokus. Man kann davon ausgehen, dass das Phänomen früher nicht minder vorhanden war, jedoch weniger thematisiert und weniger exakt messbar war.

 

4. Folgen eines Vitamin-D-Mangels

Ein chronisch niedriger Vitamin-D-Spiegel kann zu verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen:

  • Knochengesundheit: Erhöhte Anfälligkeit für Osteoporose, Rachitis und Osteomalazie.

  • Muskelkraft: Geringere Muskelmasse, erhöhte Sturzgefahr bei älteren Menschen.

  • Immunsystem: Möglicherweise erhöhtes Risiko für Infekte und Autoimmunerkrankungen.2

  • Stoffwechsel: Einige Studien diskutieren Zusammenhänge mit Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wobei die Kausalität noch nicht eindeutig geklärt ist.3

 

5. Zukunftsvisionen und Lösungen

5.1 Angepasste Ernährung und Sonnennutzung

  • Lebensmittelanreicherung: In einigen Ländern (z. B. Finnland) werden Lebensmittel wie Milchprodukte häufig mit Vitamin D angereichert, was sich positiv auf die Versorgung auswirken kann.

  • Gezielte Empfehlungen: Eine fachkundige Beratung zu Sonnenschutz und -nutzung könnte helfen, einen sinnvollen Mittelweg zwischen Hautkrebsprävention und ausreichender UVB-Bestrahlung zu finden.

5.2 Supplementierung und Selbsttests

  • Supplemente: Für Personen, die nicht regelmäßig in die Sonne kommen oder nur schwer Vitamin D über die Nahrung aufnehmen, können Vitamin-D-Präparate (z. B. D3) eine gute Option sein.4

  • Testkits für zu Hause: Um den eigenen Vitamin-D-Status ohne Arztbesuch herauszufinden, gibt es inzwischen Heimtest-Kits. So können Interessierte gezielt handeln, wenn ihr Spiegel zu niedrig ist.

  • Individualisierte Empfehlungen: Künftige Ansätze könnten noch stärker personalisiert werden – etwa basierend auf Genetik, Lebensstil, Hauttyp und Biomarkern.

5.3 Forschung und öffentliche Gesundheit

  • Kampagnen und Aufklärung: Ein steigendes Bewusstsein für Vitamin-D-Mangel kann in Zukunft zu mehr Präventionsmaßnahmen führen, insbesondere für Risikogruppen (Senior:innen, Kinder, Schwangere).

  • Weiterführende Studien: Langzeituntersuchungen und randomisierte kontrollierte Studien könnten die Rolle von Vitamin D bei verschiedenen chronischen Krankheiten weiter klären. So können letztlich noch genauere Richtlinien zur optimalen Vitamin-D-Zufuhr entstehen.

 

6. Fazit

Ein Vitamin-D-Mangel ist in Europa und besonders in Deutschland weit verbreitet. Gründe hierfür sind einerseits die geografische Lage und das damit verbundene geringe Sonnenangebot im Winter, andererseits der moderne Lebensstil mit viel Zeit in geschlossenen Räumen. Zwar waren Unterversorgungen historisch schon immer ein Thema (man denke an Rachitis), doch wird das Problem heute dank verbesserter Diagnostik und größerer Studien stärker wahrgenommen.

Um dem entgegenzuwirken, bieten sich verschiedene Lösungsansätze an, von gezielter Sonnennutzung über angereicherte Lebensmittel bis hin zu regelmäßigen Messungen des Vitamin-D-Spiegels. In Zukunft könnten individualisierte Empfehlungen und Supplementierungsstrategien dazu beitragen, die Prävalenz des Mangels weiter zu senken. Ein ausgewogener Vitamin-D-Status bleibt somit auch künftig ein wichtiger Faktor für die allgemeine Gesundheit.

 

Quellenverzeichnis

  1. Cashman KD, Dowling KG, Skrabakova Z, et al. (2016). Vitamin D deficiency in Europe: pandemic? The American Journal of Clinical Nutrition, 103(4), 1033-1044.

  2. Muscogiuri G, et al. (2017). Vitamin D and chronic diseases: the current state of the art. Archives of Toxicology, 91(1), 97-107.

  3. Robert Koch-Institut (RKI). (2016). Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1): Vitamin D-Status in Deutschland. Online verfügbar

  4. Holick MF. (2017). The vitamin D deficiency pandemic: Approaches for diagnosis, treatment and prevention. Reviews in Endocrine and Metabolic Disorders, 18(2), 153-165.

  5. Bikle DD. (2019). Vitamin D: Production, Metabolism, and Mechanisms of Action. In: Feingold KR, Anawalt B, Boyce A, et al. (eds). Endotext [Internet]. MDText.com, Inc. Link

Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keine spezifische Ernährungs- oder Gesundheitsberatung. Bei Fragen oder Unsicherheiten zum eigenen Vitamin-D-Status können (Selbst-)Tests oder Gespräche mit Fachpersonen hilfreich sein.

 

Zurück zum Blog